Zwischen Schmerz und Stärke – verwaiste Väter am Vatertag
Seit nunmehr 15 Jahren hat mein Mann die von unserer Tochter im Kindergarten gebastelte Parkuhr in seinem Auto. Sie war eine von vielen Vatertags-Geschenken aus der Kindergarten- und Volksschulzeit. Er ist Vater mit Leib und Seele und das nicht nur an diesem besonderen Tag im Jahr. Und er schätzt es und freut sich auch sehr, wenn er von seinen Kindern die neuesten Bastelarbeiten mit dem im immer gleichen Sing-Sang vorgetragenem Gedicht überreicht bekommt.
Doch seit dem Jahr 2016 ist ein großer Schmerz bzw. nunmehr Wehmut mit dem Vatertag verbunden: zwei Monate vor dem Vatertag starb unsere 14 Monate alte Tochter ganz plötzlich.
Seither ist sowieso vieles ganz anders, auch der Vatertag lässt Robert die Lücke spüren, die unsere Emilia hinterlassen hat. Keine gemeinsamen Ausflüge, vor allem keine gemeinsamen Fotos mehr und keine Erinnerungen, die wir gemeinsam schaffen können.
Ich möchte den Vatertag (in Österreich) am 8. Juni 2025 zum Anlass nehmen, um einen Blick auf Männer in der Trauer zu werfen.
Es heißt ja so oft, Frauen reden offen über ihre Gefühle, finden Trost in Gesprächen und würden den Austausch mit anderen Betroffenen suchen.
Und die Männer? Machen sich Männer wirklich alles mit sich selbst aus? Stürzen sie sich in die Arbeit oder in den Sport? Oder funktionieren sie – nach außen – einfach weiter, um den Schmerz nicht spüren zu müssen?

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Männer trauern anders – oder?
Martin Kreuels, Biologe, Fotograf und Schriftsteller, hat sich aufgrund einer eigenen Trauererfahrung intensiv mit dem Thema befasst und ist zu dem Schluss gekommen: „Männer trauern anders als Frauen.“
Für ihn liegt der wesentlichste Unterschied zwischen männlicher und weiblicher Trauer in der Kommunikation. „Männer trauern natürlich auch, haben aber ein Kommunikationsproblem. Frauen können meist besser über den Tod und Trauer reden, was erleichternd sein kann“, so Kreuels[1].
Das haben auch mein Mann und ich bemerkt. Über Gefühle zu sprechen fiel meinem Techniker mit dem analytischen Verstand schwer. Er war eher darauf bedacht, „den Rest seiner Familie“ zu schützen und hat sich – um sich eben nicht mit seinen Gefühlen auseinander setzen zu müssen – gleich nach dem Begräbnis unserer Tochter in die Arbeit gestürzt.
Daraus kann meiner Meinung nach nicht der Schluss gezogen werden, dass Männer weniger oder oberflächlicher trauern. Sie trauern anders: oft stiller, verborgener, sprechen meist nicht über ihre Gefühle.
Hier ist jedoch eine Gefahr in der Männertrauer enthalten, die der Diplompsychologe und Traumatherapeut Klaus Schlautmann-Haunhorst wie folgt auf den Punkt bringt: „Gelingt es nicht, die die Trauer auslösenden Ereignisse und Gefühle zu verarbeiten, kann sich Trauer zu einer Depression entwickeln. Die äußerlich sichtbaren Zeichen von Trauer und Depression ähneln sich stark. Die Wege, die aus der Trauer und Depression herausführen, sind unterschiedlich. Trauer bedarf der Resonanz, sozialer Einbindung und einer guten Form der Begleitung. Depression bedarf eher professioneller, psychotherapeutisch-psychiatrischer Behandlung.“[2]
Gerade an besonderen Festtagen im Jahr, wie zum Beispiel am Vatertag, kann diese Diskrepanz zwischen funktionieren, der Freude über die Geschenke und Darbietungen der noch lebenden Kinder und den im inneren tobenden Kampf aus Sehnsucht, Schmerz und Wut deutlich spürbar sein.
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Die Trauer ins Leben integrieren – statt sie zu verdrängen
Wie kann es nun gelingen, diese Diskrepanz Schritt für Schritt zu verringern? Trauer ist ein natürlicher Prozess, der auf einen Verlust folgt. Und dieser Prozess verlangt Raum und Zeit.
Mein Mann Robert hat in unserem gemeinsamen Trauerratgeber „Von Grau zu Bunt – Wie du nach dem Tod deines Kindes zurück ins Leben findest“[3] im Kapitel über Männertrauer einige Beispiele angeführt, die ich hier gerne wieder geben möchte:
- Bewegung uns Alleinsein:
- ein ausgedehnter Spaziergang, bei dem man Wind und Wetter ausgesetzt ist und seinen Gedanken freien Lauf lassen kann.
- im Fitnessstudio, wenn du im „Schutz“ eines Trainingsgerätes für dich alleine bist und deinen Rhythmus bei den Übungen findest
- laufen oder mit dem Fahrrad fahren
- Sich auf das konzentrieren, was sich beeinflussen lässt bzw. kreativ tätig werden: Männer werden zum Tun und Machen erzogen. Sie erschaffen Dinge und haben dadurch das Gefühl der Kontrolle. Nach dem Tod deines Kindes hast du nicht mehr viel unter Kontrolle. Es kann daher hilfreich sein, bewusst einen kleinen Bereich in deinem Leben auszuwählen, den du kontrollieren kannst. Das kann sein, Modelle, z.B. Lego, zusammen zu bauen. Vielleicht hast du auch mit deinem Kind gebaut und gespielt und fühlst dadurch eine besondere Verbindung zu deinem Sohn oder deiner Tochter.
- Wütend werden dürfen: Wut, oder überhaupt negativ besetzte Gefühle, werden Kindern oft abtrainiert. Es kommt auch vor, dass Kinder dafür bestraft werden. Also ist es oft der einfachere Weg, nicht mehr wütend zu werden, bevor die Eltern schimpfen. Es kann jedoch sehr befreiend wirken, wenn die Wut kanalisiert wird und heraus kann: auf einen Boxsack einschlagen, mit Polstern um sich werfen oder laut schreien.

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Vatertag ohne mein Kind – wie geht das?
Dazu gibt es natürlich kein Patentrezept. Und von „ich schei*** drauf“ bis „ich genieße die Zeit mit meinen lebenden Kindern“ ist alles möglich.
Und das sollten Männer mit ihrer Partnerin / ihrem Partner klar kommunizieren. Ob Sie Ihren Frieden haben möchten und sich Zeit für sich nehmen wollen – gleich was, es darf IhrePartnerin akzeptieren.
Vielleicht ermuntert sie Sie sogar mit Worten wie: „Ich weiß, es ist nicht immer leicht für dich und ich nehme dich in deiner Trauer wahr (gerne um ehrliches Feedback ergänzen). Und ich glaube, du gibst dein Möglichstes. Ich möchte, dass du das weißt. Mach heute das, wonach dir gerade ist“
Männer, als jene, die gerne schaffen und leisten, schätzen es, wenn sie auch in der Trauer lobende Worte ihrer Partnerin (und alle anderen Beziehungsformen sind immer mitgemeint) bekommen. Und du als Vater, der am Vatertag viele verschiedene Gefühle in sich trägt, darfst dir auch die Erlaubnis geben, Zeit nur für dich zu haben. Womöglich bist du nach zwei Stunden wieder zurück und freust dich auf die weitere Zeit im Kreise deiner Lieben. Hab Geduld mit dir.
Hier habe ich noch ein paar Anregungen für Sie, wie Sie Ihren Vatertag gestalten können. Sie werden spüren, was davon für Sie stimmig ist:
- Mit der ganzen Familie bewusst eine Mahlzeit einnehmen
- Sich gezielt mehrere Stunden Auszeit nehmen, wo Sie machen, was Sie wollen: das Grab Ihres Kindes besuchen, Sport treiben, mit einem Freund treffen, Ihrem Hobby nachgehen, …
- Etwas tun, was Sie sich schon lange vorgenommen haben, Sie sich im Alltag aber nie wirklich die Zeit dafür genommen haben: z.B. in ein Erlebnisbad oder einen Vergnügungspark fahren und sch mit Ihrer Familie dort austoben
- sich die Erlaubnis geben, zu lachen und den Tag oder Momente davon zu genießen
- Innere Verbindung: Ihr Kind ist körperlich nicht mehr in Ihrem Leben, es gibt aber noch die Beziehung, die Sie über den Tod hinaus mit Ihrem Sohn oder Ihrer Tochter haben können. Sie können mit ihm/ihr reden, Briefe schreiben oder in Gedanken mit Ihrem Kind verbunden sein.
All diese Anregungen klappen auch an den anderen 364 Tagen im Jahr und nicht nur am Vatertag.

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Fazit: Abschließende Gedanken
Trauer ist immer individuell. Obwohl wir von Unterschieden zwischen Männern und Frauen in der Trauer sprechen, gibt es ja schon mal grundsätzlich gar kn Standardprozedere oder ein „Kochrezept“, wie Menschen in ihrem Trauerprozess vorgehen sollten.
Trauer verändert sich mit der Zeit – die Zeit heilt jedoch nicht die Wunden. Vatertag wird nicht mehr so sein wie zuvor. Aber er kann ein Tag werden, der nicht nur Schmerz bedeutet, sondern auch Liebe, Erinnerung und vielleicht sogar eine neue Form von Verbindung zum verlorenen Kind.
Wenn Sie ein Vater sind, der sein Kind verloren hat: Sie sind nicht allein. Ihre Trauer verdient Raum. Sie dürfen sich erinnern. Sie dürfen fühlen. Und SiSiedürfen (wieder) leben und lachen.
Ich wünsche Ihnen von ganzem Herzen, dass es ein Tag wird, an den Sie Momente der Dankbarkeit für Ihre gesamte Familie und Momente der Freude verspüren können.
Wenn Sie das Gefühl haben, dass Sie gerade in Ihrer Trauer feststecken und nicht weiter wissen, dann buchen sich gerne ein kostenfreies Erstgespräch. Robert und ich – beide psychosoziale Berater und Familientrauerbegleiter – sind gerne für Sie da.
[1] Vgl. https://www.erzdioezese-wien.at/maenner-trauern-anders&ts=1748621138090 aufgerufen am 30.5.2025
[2] Vgl. https://www.erzdioezese-wien.at/maenner-trauern-anders&ts=1748621138090 aufgerufen am 30.5.2025
[3] https://www.amazon.de/Von-grau-bunt-deines-findest/dp/B09V55YZ47/ref=sr_1_1?__mk_de_DE=%C3%85M%C3%85%C5%BD%C3%95%C3%91&crid=35UFI3GCDKU5D&dib=eyJ2IjoiMSJ9.tfwhscg5IGIWpMDh2qdMNb_j-6T_TXJHXmwIhkAsUCetogq4-FyOXnR4cNuj7kvpP1yBQJNZwjBgiYqO5UaCHlteCw4uNmlFuIv5sJaWHjh8FeamKJqXWbARzaeNQ3649CFHp8QiSNMRqWNY1NkqR6SM2A9Dir1pCV9b0yocMRiWyqudIU67vqmf-TKjG4FbUipKMPviKwSOfx48a3rAYgqiph-fkPnYf3YX4tMfR4w.GGrAwRnEqx_Fi0YJn1ocGn0K_Irclb7zjY43DMZ84js&dib_tag=se&keywords=von+grau+zu+bunt&qid=1748699627&sprefix=von+grau+zu+bunt%2Caps%2C150&sr=8-1
Mag.a Ulla Gschwandtner, ist Juristin, Familien-Trauerbegleiterin, psychosoziale Beraterin, diplomierte Aromafachberaterin und Reiki-Lehrerin.
Nach dem plötzlichen Verlust ihrer Tochter Emilia im Jahr 2016 fand sie gemeinsam mit ihrem Mann Robert einen Weg zurück in ein erfülltes Leben und widmet sich heute der Begleitung trauernder Menschen.
Sie nimmt damit verschiedenste, manchmal nicht alltägliche Perspektiven auf Leben, Gesundheit, Regeneration, aber auch das Ende des Lebens, den Tod ein und teilt ihre wertvollen Zugänge, Erfahrungen und Erkenntnisse im Rahmen des Health 4 Me - Blogs.
Mit einer Kombination aus eigener Erfahrung und fundierter Ausbildung unterstützt sie Menschen online und in Präsenz dabei, ihren individuellen Trauerweg zu gehen und wieder Lebensfreude zu finden. Ihr Fokus liegt auf einfühlsamer Begleitung, Verständnis für zwischenmenschliche Dynamiken in der Trauer und der Stärkung von Betroffenen auf ihrem Weg zurück in den Alltag.
Ihr Motto: „Von Grau zu Bunt – den Weg der Trauer mit Herz und Verständnis begleiten.“
Mehr über sie und ihr Angebot unter https://von-grau-zu-bunt.com/