Trauer um ein Haustier: Warum der Abschied von Hund oder Katze tiefgreifend wirkt

„Jetzt ist er über die Regenbogenbrücke gegangen, er hat es geschafft.“ Mit diesen Worten hat uns die Tierärztin bestätigt, dass unser 12-jähriger Golden Retriever verstorben ist. Und es war noch schlimmer, als ich es mir zuvor vorgestellt hatte, denn Linus war viel mehr als nur unser Hund: er hat uns durch die schwerste Zeit unseres Lebens begleitet. Er war der beste Trauerbegleiter nach dem plötzlichen Tod unserer Tochter Emilia.

 

ein junger semmelfarbener Golden Retriver, Linus, sitzt als Welpe im Gras

Copyright: privat Ulla Gschwandtner

 

Mehr als nur ein Hund: Abschied von unserem treuesten Seelentröster nach dem Tod unserer Tochter

Der Verlust eines Tieres ist kein Randthema, sondern ein tiefgreifendes Ereignis mit erheblicher psychischer und physischer Wirkung. Zahlreiche Studien zeigen, dass Bindungen zu Tieren ähnlich intensiv erlebt werden wie zwischenmenschliche Beziehungen. In meiner Arbeit als Lebens- und Sozialberaterin und Trauerbegleiterin betone ich: Abschied von einem Hund oder einer Katze erfordert dieselbe Aufmerksamkeit, denselben Raum und dieselbe Anerkennung wie jeder andere Verlust.

Dieser Health 4 Me – Blogbeitrag beleuchtet anhand des Beispiels unseres Golden Retrievers Linus, welche Bedeutung Tiere im Trauerprozess haben, welche Dynamiken sie im Familiensystem auslösen und welche professionellen Wege zur Integration von Trauer hilfreich sind.

 

Tierliebe – die unsichtbare Dimension

„A home without a dog is just a house.“ Wer nie mit einem Tier gelebt hat, wird kaum verstehen, wie tief die Verbindung zu Hund, Katze, Hamster, … sein kann. Still, wortlos und von bedingungsloser Liebe getragen, die uns oft mehr hält, als viele menschliche Beziehungen. Genau das haben wir nach dem Tod unserer Tochter Emilia erlebt: viele Menschen haben sich von uns abgewendet, weil sie nicht wussten, wie sie mit uns umgehen sollten. Linus war einfach da, hat gespürt, wenn es uns nicht gut ging und unsere Tränen in seinem Fell getrocknet. Und das über Monate und Jahre. Als wir tief trauernden Eltern nicht für unsere Erstgeborene da sein konnten, war Linus der stille Begleiter und Freund für Nina, dem sie alles erzählen konnte, was sie nach dem plötzlichen Tod ihrer Schwester belastete. Er war ihr Fels in der Brandung.

 

Bindung zwischen Mensch und Tier – mehr als nur Emotion

Der Tod von Linus ist auch für mich eine neue Dimension als Trauerbegleiterin: ich weiß, wie der Prozess abläuft, kenne viele „Tools“, die ich in der Trauer meinen Klient:innen mitgebe. Jetzt bin ich selbst wieder gefordert, meine Schritte zu machen, mir Zeit für meine Trauer um Linus zu nehmen und meinen Schmerz wieder zu spüren.

 

Trauerreation beim Verlust eines (Haus)Tieres

Es folgt eine sehr persönliche Geschichte von unserem Leben mit Linus, seiner Wichtigkeit in unserem Leben, der palliativen Begleitung und einer der schwersten Entscheidungen, die wir je treffen mussten.

 

 

Ein Leben voller Liebe:
Über 12 Jahre treue Begleitung und Heilung

ein kleines Kind, geht mit einem Golden Retriver an einem Waldweg spazieren

Coypright: privat Ulla Gschwandtnernd Heilung

Linus war ein Familienmitglied. Er kam zu uns, weil unsere Erstgeborene lange Zeit ein Einzelkind gewesen ist. Sie sollte soziale Kontakte auf andere Art erfahren. Kurz vor ihrem 8. Geburtstag ist er bei uns eingezogen und wurde sofort ein toller Spielgefährte.

Ok, am Anfang gab es noch ein paar Missverständnisse: Nina hat die Sprache der Hunde noch nicht so gut verstanden oder das Verhalten von Linus lesen können. Und Linus war ein ungestümer Welpe, der seine Grenzen erst kennen lernen musste.

Doch es dauerte nicht lange, da meinte Nina: „Linus ist mein knapper Bruder.“ Übersetzt: er ist fast wie mein Bruder.

 

Körperliche und psychische Dimension von Trauer

Und dann kam doch noch ein Geschwisterl für Nina. Leider blieb unsere Emilia nur 14 Monate bei uns. Linus war bei Emilias Tod drei Jahre alt, war gutmütig, gut erzogen und hatte seine Pubertät hinter sich. Und so wurde er zur wichtigsten Stütze von Nina zu Beginn ihres Trauerprozesses.

 

Linus war bedingungslos da, hat sie getröstet und ihr zugehört. Über ihren Schmerz hat sie zu Beginn mit niemandem sprechen wollen oder können – mit Linus schon. Auch wir als Eltern sind trotz Bemühungen im emotionalen Beistand ziemlich ausgefallen, da wir nach dem Tod unserer Tochter mit uns selbst so beschäftigt gewesen sind. Wir waren alles andere als stabil, aber Linus war der unerschütterliche Freund für Nina.

 

Unterschiede und Parallelen zu zwischenmenschlicher Trauer

Linus hat mich nach dem Tod von Emilia wieder aus dem Haus gebracht. Er musste ja spazieren gehen. Ich hätte mich am liebsten bei uns zu Hause verkrochen und niemanden gesehen.

Durch unsere gemeinsamen Spaziergänge bin ich auch in meiner Trauer in Bewegung gekommen, habe mich wieder unter Menschen gewagt. Diese Spaziergänge vermisse ich auch jetzt. Sie haben meinem Tag eine Struktur gegeben und ich war regelmäßig in der frischen Luft – egal wie das Wetter gewesen ist.

Meinem Mann Robert hat es immer gut getan, sich nach einem stressigen Arbeitstag zu Linus zu legen und ihn zu kraulen und streicheln. Da hat er so richtig abschalten und entspannen können. Und Linus hat es genossen.

Unser Wuzi, so haben wir ihn genannt, war für Späße zu haben, hat sehr viel mit Nina gespielt, hat uns immer freudig begrüßt, wenn wir nach Hause gekommen sind. Bedingungslos, fast zwölf Jahre lang.

 

Nahender Abschied: 5 Monate palliative Begleitung

eine Familie mit Vater, Mutter, Tochter und Sohn und dem Golden Retriver Linus in der Mitte als wichtiges Familienmitglied

Copyright: privat, Ulla Gschwandtner

Linus war immer fit und gesund. Bis auf ein paar Kleinigkeiten hatten wir nie einen Tierarzt gebraucht.

Dann kam jene Nacht Ende November 2024, letzten Jahres. Linus hat über Nacht so abgebaut, es war ihm unendlich schlecht und er hat auch kein Wasser mehr behalten. Also sind Nina und ich am nächsten Tag in die Tierklinik gefahren.

 

Medizinische und emotionale Herausforderungen des Abschied-Nehmens

Er hat auf uns schon etwas weggetreten gewirkt und die halbstündige Untersuchung völlig teilnahmslos über sich ergehen lassen. Die Ärztin diagnostizierte eine „Masse im Bauchraum, die da nicht hingehörte“.

Aufgrund seines Alters (fast 12 Jahre), seines Allgemeinzustandes und der anstehenden Operation, hatten wir die Entscheidung zu treffen, wie es weitergehen sollte: gleich einschläfern, palliativ mit nach Hause nehmen oder weiter machen und schauen, ob er die Operation überlebt. Für diese müsste er erst einmal fit gemacht werden.

Linus blieb fürs erste in der Klinik und wir fuhren heim um mit meinem Mann, der krank zu Hause lag, die Optionen zu besprechen.

 

Entscheidungsprozesse am Ende eines Tieres

Unser Wuzi sollte keinesfalls leiden und so wollten wir ihn Ende November 2024 gehen lassen. Als wir wieder zurück in die Klinik kamen, lief uns Linus schwanzwedelnd und wieder auf seinen eigenen vier Beinen entgegen. Heute wurde noch nicht gestorben – wir haben weiter gemacht.

Es folgte eine große und schwere Operation, der Tumor wurde entfernt und wir entschieden uns für eine Chemotherapie für Linus. Er hat sich in den nächsten Wochen erstaunlich gut erholt, wir konnten seinen 12. Geburtstag noch feiern und ein paar schöne Spaziergänge machen, wo er so gerne unterwegs war.

Wir haben die gemeinsame Zeit noch sehr genossen, auch wenn sie uns enorm gefordert hat: nie zu wissen, ob er in der Früh noch lebt, nicht zu wissen, wie es ihm jeden Tag geht, war auch belastend für uns. Und spontane Fahrten von Nina und mir in die Tierklinik gehörten zum Alltag.

Besonders schön zu beobachten war, wie sich die Beziehung zwischen Felix, unserem 7-jährigen Sohn, und Linus in diese Zeit noch entwickelte. Linus war für Felix immer selbstverständlich, weil er sein ganzes Leben bei uns war. Der beinahe Verlust von Linus Ende November hat hier etwas verändert: auf seine Weise hat er sich von da an liebevoll um Linus gekümmert, ihn gefüttert und ist viel öfter bei Spaziergängen dabei gewesen.

 

Eine schwere Entscheidung: Abschied und Loslassen aus tiefster Liebe und Dankbarkeit

Und dann kam die Nacht, die alles veränderte. Am Morgen des 19. April 2025 war Linus anders.

Wir hatten das Gefühl, dass er uns nicht mehr richtig wahrgenommen hat, dass er nicht mehr reagierte auf unser Rufen. Er konnte schon stur sein, wenn er etwas nicht wollte, doch an diesem Morgen ist er gar nicht mehr aufgestanden, um in der Früh mit Nina Gassi zu gehen.

 

Dynamiken im Familiensystem beim und nach dem Abschied-Nehmen: wenn Stille laut ist

Ein Blumenstrauß aus gelben udn rosa blumen, mit Blüten asu Pfoten-Abdrücken und grünen Stengeln

Copyright: privat, Ulla Gschwandnter

Wir haben den Tag mit ihm noch im Garten verbracht, waren bei ihm und wussten alle, dass es nicht mehr lange dauern würde. Die letzten gemeinsamen Fotos sind entstanden, enge Familienmitglieder kamen sich noch verabschieden.  Jeder sprach noch mit ihm und bedankte sich für sein Sein in unserer Familie.

Am Nachmittag sind wir dann in die Tierklinik gefahren und haben ihn gehen lassen.

Über Nacht blieb sein Körper und damit er noch bei uns im Haus, und er war auch noch bei unserem traditionellem Osterbrunch mit der Familie dabei. Felix sagte: „Vielleicht gibt es wieder eine Auferstehung. Auf jeden Fall ist er jetzt der Hund Gottes.“

Am Ostersonntag zu Mittag haben wir ihn ins Tierkrematorium gebracht und waren berührt vom liebevollen Abschied, der uns dort ermöglicht wurde.

„Die Stille ist brüllend“, hat es meine Schwester bei ihrem ersten Besuch nach Linus Tod auf den Punkt gebracht.

Ja, es ist still. Es ist wieder still.

Nach Emilias Tod habe ich ihr Geplapper und ihre Geräusche beim Spielen vermisst. Und noch viel mehr.

Jetzt sind es die Pfoten, die wir nicht mehr auf dem Holzboden hören. Und dass er uns nicht mehr freudig wedelnd begrüßt, wenn wir nach Hause kommen. Und noch so viel mehr. Er fehlt …

 

Wenn die Expertin selbst trauert: 2 Seiten des Schmerzes

Als Trauerbegleiterin mit mehrjähriger Erfahrung kann ich die Prozesse und Abläufe nach einem Verlust nun verstehen:

Ich weiß, wie ich mit meiner Trauer und meinem Schmerz umgehen kann – vielleicht sogar muss, damit ich nicht von einer Trauerwelle überrollt werde.

Das ist ein großer Unterschied zu Emilias Tod. Dieser war plötzlich und ich hatte keine Ahnung, was mich erwarten würde. Ich habe mich überfordert und hilflos gefühlt.

 

Selbstfürsorge und externe Begleitung

Tochter und Goldenretriver Linus liegen mit einem Fußball auf der Wiese, die Tochter lächelt glücklich

Copyright: privat, Ulla Gschwandtner

Bei Linus wusste ich, dass es uns schwer treffen wird, wenn er nicht mehr da ist, eben weil er so eine wichtige Rolle im Trauerprozess nach Emilias Tod hatte.

Meine Sorge galt auch meiner Tochter, weil sie nun um ihren „besten Freund“ und wichtigsten Begleiter nach Emilias Tod trauerte. Und eben nicht mehr Linus ihre Sorgen erzählen konnte. Nina hat sich von sich aus gleich einen Termin bei einer wunderbaren Psychotherapeutin ausgemacht, um über ihre Trauer zu sprechen.

Das haben wir nämlich nach Emilias Tod alle gelernt:
massive Verluste, bei denen das Familiensystem in Schieflage gerät, brauchen Begleitung von außen. Alleine schafft man das – meistens – nicht.

 

Integration von Trauer in den Alltag

Wir haben natürlich viel eigene Erfahrung im Trauern und auf diese nun auch bei Linus zurückgegriffen: beispielsweise haben wir wieder alle gemeinsam besprochen, was sich verändern darf und was genau so bleibt: sein Futter haben wir recht schnell im Tierheim abgegeben.

Hingegen ist sein Hundebett unverändert bei uns im Wohnzimmer. Derzeit passt das so für uns. Wenn es für uns alle stimmig ist, werden wir es wegräumen.

Wir wissen auch um den Raum, den wir zum Trauern brauchen: jeder hat seine eigenen Strategien entwickelt, um den Schmerz zu spüren und auch die Emotionen zu zu lassen. Denn das haben wir auch gelernt: „Durch den Schmerz hindurch und nicht am Schmerz vorbei geht der Weg zur Freude“ (nach Karl Barth).

 

Das Vermächtnis der Liebe: Erinnerungen

Die Integration der Trauer erfolgt nun beim Spazierengehen, Fotos anschauen, über Linus reden, sein Spielzeug in die Hand zu nehmen … Und dabei spüren wir, wie es uns gerade geht: Manchmal tut es weh, manchmal ist es eine große Dankbarkeit und Freude, dass Linus über zwölf Jahre unser wunderbarer Begleiter gewesen ist.

 

Abschied gestalten – durch Rituale, Erinnerungen, Symboliken

Wir waren vorbereitet, dass das Leben von Linus zu Ende geht und haben uns noch ein paar Erinnerungen geschaffen:

– Zu Weihnachten hat Nina schon Pfotenabdrücke aus Salzteig gemacht und sie der erweiterten Familie geschenkt

– Ein mit Linus gestaltetes Bild ist entstanden

– Ein Nasenabdruck (nach seinem Tod)

– Haare aufgehoben

 

Trauerbewältigung: durch den Schmerz hindurch“ als Weg zur Heilung

Kurz nach seinem Tod sind wir als Familie auch an seinen Lieblingsplatz an der Donau gefahren und dort spazieren gegangen. Er hat das Wasser und die Au dort geliebt.

Vier Tage vor seinem Tod waren wir auch noch gemeinsam dort. Da ist er noch gelaufen und wollte ins Wasser. Er hat sich im Sand gewälzt und war – so denke ich –  bis kurz vor seinem Tod ein glücklicher Goldi.

Zum Andenkenplatz im Haus von Emilia ist der von Linus dazu gekommen. Die beiden sind jetzt wieder vereint und auch das ist ein tröstlicher Gedanke. Sie haben sich auch zu Lebzeiten sehr gemocht und waren sich nahe.

Trauer ist immer individuell.

Persönlich finde ich wichtig, dass wir uns Zeit und Raum dafür nehmen.

Trauer ist physisch und psychisch anstrengend. Auf uns gut zu schauen und Selbstfürsorge zu betreiben, ist essentiell.

Wenn der Schmerz zu groß ist und alleine nicht bewältigt werden kann, braucht es Hilfe von Therapeut:Innen, Trauerbegleitung – und bin ich gerne da, damit wir ein Stück des Weges gemeinsam gehen und die Trauer verarbeitbar, verdaubar gestalten.

 

Zusammenfassung

Trauer um Tiere wird häufig unterschätzt – dabei ist sie klinisch relevant und kann Familienstrukturen tiefgreifend beeinflussen. Anhand der Geschichte von Linus, dem Golden Retriever unserer Familie, zeige ich auf, wie Tiere Trauerprozesse begleiten, welche Herausforderungen beim Abschied entstehen und welche Handlungsmöglichkeiten Betroffene haben, wenn dann ein Tier stirbt.

Der Beitrag bietet fachliche Einblicke in Trauerreaktionen, palliative Begleitung von Haustieren und die Integration von Verlust in den Alltag. Damit soll er sowohl trauernden Tierhalter:innen als auch Fachpersonen Orientierung und Verständnis vermitteln.

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Mag.a Ulla Gschwandtner, ist Juristin, Familien-Trauerbegleiterin, psychosoziale Beraterin, diplomierte Aromafachberaterin und Reiki-Lehrerin.
Nach dem plötzlichen Verlust ihrer Tochter Emilia im Jahr 2016 fand sie gemeinsam mit ihrem Mann Robert einen Weg zurück in ein erfülltes Leben und widmet sich heute der Begleitung trauernder Menschen.
Sie nimmt damit verschiedenste, manchmal nicht alltägliche Perspektiven auf Leben, Gesundheit, Regeneration, aber auch das Ende des Lebens, den Tod ein und teilt ihre wertvollen Zugänge, Erfahrungen und Erkenntnisse im Rahmen des Health 4 Me - Blogs.

Mit einer Kombination aus eigener Erfahrung und fundierter Ausbildung unterstützt sie Menschen online und in Präsenz dabei, ihren individuellen Trauerweg zu gehen und wieder Lebensfreude zu finden. Ihr Fokus liegt auf einfühlsamer Begleitung, Verständnis für zwischenmenschliche Dynamiken in der Trauer und der Stärkung von Betroffenen auf ihrem Weg zurück in den Alltag.

Ihr Motto: „Von Grau zu Bunt – den Weg der Trauer mit Herz und Verständnis begleiten.“

Mehr über sie und ihr Angebot unter https://von-grau-zu-bunt.com/